2007/07/30

Blue Guitar Adventurers™

"Ra- Ra- Rasputin, Russia's greatest love machine..."

Das Wochenende war absolut genial - mir hat wirklich jede Minute davon Spass gemacht... (und man kennt mich ja - ich suder gern und ausdauernd, normalerweise)

Claire, Una und ich sind Samstag zu Mittag mit Igor vom OSCE FO Sarajevo nach Foča gefahren, wo dann nach und nach die restlichen der insgesamt 28(!) Leute aus allen moeglichen Laendern unserer Gruppe eingetroffen sind. Aufgeteilt auf 4 Jeeps gings dann ueber eine extrem schmale Strasse, die sich direkt am Abgrund des Tara-Canyons entlangschlaengelt (definitiv nichts fuer Leute mit Hoehenangst) weiter zur bosnisch-montenegrinischen Grenze. Dort wurde unser Jeep, der als letzter die Grenze erreichte, aus nach wie vor ungeklarten Gruenden ueber 1h aufgehalten... irgendwie hatten es die anderen Jeeps vor uns geschafft, die Grenzbeamten ernsthaft zu veraergern und wir mussten das dann ausbaden. Wobei ich persoenlich ja glaube, dass die dort sowieso alle chronisch grantig sind - es gab auch gleich Anschiss fuer mich, weil ich's gewagt hab, zu fotografieren. Ich versteh ja, dass keiner Wert auf Fotos von militaerischen Einrichtungen in den Haenden Fremder legt, aber dieser Grenzposten is so ungefaehr das mickrigste und abgelegenste, was ich jemals gesehn hab und ich wollt eh nur das "Republika Crna Gora"-Schild festhalten, also pfffffts...
Zum Zeitvertreib hat einer der Bosnier ausm Camp dann angefangen mich mit Spruechen wie "Oh, was sollen wir mit ihr anfangen? Sie ist nur ein Maedchen und sie kann ja nichtmal die Sprache..." und zweideutigen Blicken anzugraben - dass er dafuer Ilijas Uebersetzung brauchte, weil er selbst nix kann ausser bosnisch, hat das Ganze auch nicht weniger dubios gemacht, hehe...
Nach endlosen Diskussionen der Grenzbeamten mit dem Chef des Rafting-Unternehmens, der an der Grenze auf uns gewartet hatte (und ebenso endlosen Versuchen unsererseits, rauszukriegen, was denn eigentlich das Problem is), ging's schliesslich ueber eine noch schmaelere und nicht mehr asphaltierte Strasse weiter Richtung Camp.
Das Camp selbst, das wir dann nach kurzem Fussmarsch und einer Flussueberquerung erreichten, war wirklich nett - nachdem wir mehr Personen waren als urspruenglich geplant, wurden 3 Leute aus unserem letzten Jeep nicht in den kleinen cabins, sondern ein Stueck bergaufwaerts in der "Villa" (siehe Fotos) einquartiert... Das versprochene fliessende Wasser gab's zwar nur sporadisch und kalt, aber es war trotzdem netter ein Zimmer fuer mich allein (bzw mich und Una, die spontan aus ihrer cabin zu mir uebersiedelt ist) zu haben, als mit fuenf anderen in einer der Huetten zu schlafen und draussen zu duschen.

Den Samstagabend verbrachten wir dann wie geplant mit reichlich Alkohol, der gemeinsam gekauften blauen Gitarre (schon jetzt eine Legende!) und den von Tim zusammengestellten songsheets, die alle in den letzten Tagen diespezueglich deponierten Wuensche umfassten; darunter sowohl absolute Lieblingslieder meinerseits von L. Cohen bis U2, als auch der Titelsong dieses Beitrags - nur um die enorme Bandbreite zu illustrieren...
Una war leicht angfressen, weil Ben - seit letztem WoEnde das Opfer ihrer Begierde - am Tag zuvor mit Stela angebandelt hatte und ist dementsprechend frueh verschwunden - der "harte Kern" hat aber ziemlich lange durchgehalten. Ich hab absolut keine Ahnung, wann ich ins Bett gegangen bin, oder wie ich im Dunklen ueberhaupt zu meiner "Villa" raufgefunden hab. Dafuer kann ich mich noch erinnern, dass ich etwas spaeter - barfuss und nur noch in Unterwaesche und T-Shirt - ganz allein im Stockfinstren mitten auf der Lichtung vor der Villa stand, weil mein Handy nur dort Verbindung hatte, um zuerst Guthaben aufzuladen und dann eine SMS zu verschicken. Voellig geblendet vom Handydisplay und rund um mich nur Wald und finster und *fuercht* is mir dann irgendwann gedaemmert, dass das jetzt grad vielleicht nicht die schlauste Aktion is. Spricht das eig. dafuer oder dagegen, dass ich ziemlich besoffen war? Wobei diese Frage eh spaetestens durch meinen definitiv suboptimalen Zustand am Morgen beantwortet wurde...

Nachm Fruestueck und einer Stunde schlafen in der Haengematte bekam dann jeder wetsuit (bissl grindig - nur nicht dueber nachdenken, wer da schon vorher drinnen war...) + Schwimmweste und wir teilten uns in Gruppen von acht Leuten pro Raft auf.
Unsere Besatzung: Lili, Stela, Ben, Una, Tim, Clemence, Gaylor und ich - plus eine seltsam unwirsche Frau, die gerudert hat wie ein Berserker (keine Ahnung, ob die zum Camp gehoert hat oder eine Touristin war) und unser Skipper. Definitiv das Spassboot und auch das einzige, das unterwegs eine Bierpause gemacht hat, glaub ich.
Das Raften selbst war grossartig, ich hoff, ich komm bald wieder mal dazu. Unglaublich schoene Landschaft und ganz klares und sauberes gruenes Wasser (leider keine Fotos, da meine Kamera auf Grund irgendjemandes fehlgeleiteter Initiative in einem anderen Boot gelandet ist. Hab sie bloederweise erst beim letzten Zwischenstop wiederbekommen). Wirklich gefaehrlich war es nicht, obwohl wir einige wirklich wilde/schnelle Stellen passiert haben. Laut unserem Skipper ist die Tara aber heuer nicht "in Topform" - nachdem es in den umliegenden Bergen im letzten Winter kaum Schnee gab, liegt der Wasserstand deutlich unter dem Normalpegel. Unser Glueck - ueblicherweise koennen nur max. zwei Frauen pro Raft mitgenommen werden, weil sie wg. der starken Stroemungen Maenner zum Rudern brauchen - das waere angesichts des leichten Frauenueberhangs in unserer Gruppe dann doch ein Problem geworden.
Nach ca. 4,5h (die uns wesentlich kuerzer vorgekommen sind) gab's dann noch Abendessen am Endpunkt beim Grenzuebergang (diesmal keine Fotos, sicherheitshalber) und dann die Rueckfahrt nach Foča bzw. Sarajevo, wo ich so gegen 22:30 angekommen und nach einer langen Dusche (diese wetsuits... pfuipfuipfui) direkt ins Koma gefallen bin - nur um heute immer noch muede und mit moerderischem Muskelkater in meinen nicht vorhandenen Oberarmmuskeln wieder aufzuwachen, hehe.

Fotos gibt's hier - sollten noch welche von anderen Leuten oder der Rafting-Company (die jedes Boot in der ersten Stromschnelle fotografiert hat) eintreffen, gibt's ein update.

Naechstes WoEnde planen Lili & Co. einen Trip nach Istanbul und Una wird hoechstwahrscheinlich auch mitfahren. Ich beneide sie total drum; die Stadt fehlt mir ja schon wieder - aber mit einer Gruppe von Leuten, die alle noch nie dort waren von Fr. bis Mo. hinzufliegen is mir das Geld nicht wert (auch wenn die Fluege von hier aus deutlich billiger sind als von Wien), wenn ich auch "hier" unterwegs sein kann. Dann schon lieber mit Caleb, Claire, Kjetil und werauchimmernochmitkommt an die montenegrinische Kueste zum Baden.

2007/07/25

ICTY Press Release 1179e

The Hague, 25 July 2007
OK/1179e

STATEMENT OF THE PROSECUTOR

Exactly 12 years ago today, the International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia issued its first indictment against Ratko Mladić and Radovan Karadžić, the political and military leaders of the Bosnian Serbs during the wars of the 1990s.

According to our evidence, Mladić and Karadžić are responsible for their participation in the genocide in Srebrenica – the killing of close to 8,000 men and boys following the fall of the enclave; the terror inflicted upon civilians during the siege of Sarajevo; the torture and murders in the infamous detention camps like Omarska, Keraterm, Manjaca, Trnopolje, Luka, to name a few; and many other horrific crimes, including rapes and other depraved acts committed against non-Serb civilians throughout Bosnia and Herzegovina.

Mladić and Karadžić are charged with genocide, crimes against humanity and violations of the laws or customs of war, the worst crimes known to humanity and the worst crimes committed in Europe since World War II.

And, after 12 years, they are still at large.

This is a permanent shadow not only on the work of this Tribunal, but also on the international community as a whole. The fact that two of the most notorious war crimes indictees are still able to evade justice is simply unacceptable.

This is why, on this grim anniversary, I would like to take the opportunity to again call upon Serbia, Bosnia and Herzegovina (especially the entity of Republika Srpska) and Montenegro to do everything they can to locate and arrest Ratko Mladić, Radovan Karadžić and the remaining fugitives.

However, I would also like to call upon the international community, all states who believe in the importance of international justice and the rule of law, to maintain and increase their crucial support. Without it, we would not be able to do our important work. Without it, there would be impunity.

We must remain strong and vigilant in our pursuit because this is what we owe to the thousands upon thousands of those who perished at the hands of Karadžić, Mladić and their subordinates.

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nichts als leeres Gewaesch und Phrasendrescherei, bedauerlicherweise...

Rafting Tarom


© Planinarski i rafting klub "ENCIJAN"; http://www.pkencijan.com

huiiiiiii... das sollte lustig werden!!!
Leider kann Kjetil ueberraschend nicht mitfahren, nachdem ihn die OSCE ueberredet hat, drei statt zwei Monate hier zu bleiben, damit er sein Projekt beenden kann. Da sie das clevererweise auch gleich mit seinem Arbeitsgeber ab September (jetzt nat. ab Oktober) abgesprochen haben, konnte er kaum nein sagen - und muss jetzt angesichts eines weiteren Monats mit geringem Einkommen auf unser Rafting-Wochenende verzichten. Ausbeuterpartie, tsts... ;)
Heute hat's zum ersten Mal seit Wochen tatsaechlich unter 30 Grad - ich hoff, das aendert sich bis zum WoEnde wieder; die Tara soll doch zieeeemlich kalt sein. (Und ich weiss, dass ich die ganze Zeit ueber die Hitze gejammert hab - bin halt nie zufrieden, hehe)

2007/07/23

I See Thee Wye? Icy Tee - Why?*

-> ICTY - International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia

14 Jahre nach seiner Entstehung naehert sich inzwischen wohl das mehrfach aufgeschobene endgueltige Ende des Mandats dieser voelkerrechtlich nicht voellig unbedenklichen Institution. Im Gegensatz zum Internationalen Strafgerichtshof (ICC), der auf einem multilateralen Vertrag beruht (welcher bis Anfang 2007 von 104 Staaten unterzeichnet und ratifiziert wurde, nicht jedoch von den USA), wurde das ICTY durch Resolution 827/1993 des UN-Sicherheitsrats auf Basis einer ziemlich groesszuegigen Auslegung von Kapitel VII der UN-Charta ("Maßnahmen zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit") etabliert. Der fruehere serbische Praesident Slobodan Milošević begruendete seine Weigerung, das Tribunal anzuerkennen, mit dieser in seinen Augen voelkerrechtwidrigen Basis - eine Meinung, mit der er nicht voellig allein dastand, auch wenn bei vielen seiner Unterstuetzer wohl auch politische Motive fuer ihre Auslegung der rechtlichen Grundlagen vermutet werden koennen. Fuer einen ausgezeichneten Ueberblick voelkerrechtlicher und anderer Kritikpunkte am ICTY verweise ich an dieser Stelle auf meine ungelesen in der Schreibtischschublade meines Professors vor sich hinmodernde Seminararbeit vom September 2006, höhö...

Jedenfalls besteht aus dieser Sicht wohl kein Grund, dieser Institution nachzuweinen - auch wenn eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen der Balkankriege ohne sie zumindest bis vor wenigen Jahren sicher nicht moeglich gewesen waere und sie daher zweifellos - und trotz nicht voellig von der Hand zu weisender Vorwurfe einer gewissen Voreingenommenheit - einen aeusserst wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschehnisse geleistet hat. Die Ermittlungsergebnisse des ICTY dienen der bosnischen Justiz heute und wohl auch in Zukunft als unverzichtbare Grundlage eigener Untersuchungen und Verfahren. Diese Ermittlungsergebnisse wurden jedoch auch teuer bezahlt - das Budget des ICTY fuer 2006/07 betrug immerhin beachtliche 276.474.100 $ (1).
Die auf der Homepage des Tribunals angefuehrte Rechtfertigung ("The expense of bringing to justice those most responsible for war crimes and for helping to cement the Rule of Law in the former Yugoslavia pales in comparison to the true cost of the crimes: the lives lost, the communities devastated, the private property ransacked and the cultural monuments and buildings destroyed forever" (2)) klingt zwar geradezu ruehrend altruistisch - eine derartige Summe haette aber vermutlich hier in BiH auch einiges zur Staerkung der Strafgerichtsbarkeit - und damit ihrer Moeglichkeiten, die entsprechenden Verfahren selbst zu fuehren - beitragen koennen.

Bisher wurden 106 Verfahren abgeschlossen; dabei wurden 51 Angeklagte verurteilt und inhaftiert, 5 freigesprochen und 14 an die nationale bosnische Strafgerichtsbarkeit uebergeben (fuer diese Faelle, die auf Basis von Rule 11bis der Rules of Procedure and Evidence des ICTY an den bosnischen State Court uebergeben werden, haben wir hier im Department uebrigens eine eigene Unterabteilung). Die Anklagen gegen 25 Personen wurden zurueckgezogen, 11 sind verstorben. Derzeit sind Verfahren gegen 55 Angeklagte im Gange, vier Personen sind nach wie vor fluechtig. (alle: Stand 12/07/2007 (3)) Scheint also noch einiges an Arbeit anzustehn, da das Tribunal plant, alle Prozesse bis Ende 2009 abgeschlossen zu haben, sowie saemtliche Berufungsverfahren bis 2010 zu beenden - wobei diese Zeitrahmen bei einer Verhaftung Radovan Karadžićs und/oder Ratko Mladićs jedoch moeglicherweise verlaengert werden wuerden.
Inzwischen gibt's auch die ersten Streitereien ueber die Frage, wohin die unzaehligen Akten des ICTY nach dessen Aufloesung gebracht werden sollen. Serbien hat Zeitungsberichten zufolge bereits mehrfach anklingen lassen, dass es das Archivmaterial gern in Belgrad sehen wuerde - BiH bezeichnet dies naheliegenderweise als "skandaloesen Vorschlag" und betrachtet Sarajevo als ideale Alternative. Carla Del Ponte, Chief Prosecutor und Aushaengeschild des Tribunals, haelt sich clevererweise vorerst raus und betont die Zustaendigkeit des UN-Sicherheitsrat. Wie auch immer das dann letzten Endes ausgehn wird - sofern sich kein neutraler Ort fuer das Archiv findet, kann angenommen werden, dass der gewaltige Aktenberg spaetestens 2011 ordentlich zerfleddert und von Hinweisen auf bisher noch nicht belangte Verdaechtige des Staates, der den "Zuschlag" fuer das Archiv bekommt, gesaeubert wurde.

Madame Del Ponte hat aber wohl keine Lust mehr, solange in ihrem Job zu bleiben und sich zunehmenden Angriffen diverser victims' organisations (allen voran die Mothers of Srebrenica, die ihr beim Zusammentreffen anlaesslich des 11. Juli scheinbar ordentlich eingeheizt haben und ihr Luegen und leere Versprechungen vorwerfen) ausgesetzt zu sehen und daher Ende Jaenner 2007 ihren Ruecktritt bekannt gegeben - ihr mit Ende September auslaufendes Mandat wird also nicht verlaengert werden. Ihr Nachfolger wird hoechstwahrscheinlich der Belgier Serge Brammertz, welcher derzeit der UN International Independent Investigation Commission (die die Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpraesidenten Rafiq Hariri im Februar 2005 untersucht) angehoert und auch bereits am ICC taetig war. Vermutlich eine undankbare Aufgabe, die ihm da zufaellt - alle "losen Enden", die ihm Carla del Ponte in die Haende gibt innerhalb von 2 Jahren zu verknuepfen stellt doch eine beachtliche Herausforderung dar.

*) Wye ist uebrigens ein kleiner Ort in Kent oder ersatzweise auch ein amerikanischer Fachausdruck fuer eine bestimmte Form von Eisenbahnkreuzung. Wieder was gelernt, jaja...

2007/07/22

Tonight I'm gonna have myself a real good time...

FOTOOOOS vom Wochenende... das diesmal vergleichsweise wenig erholsam, dafür aber extremst lustig war.

Reichlich neue Leute kennengelernt, darunter auch die Freunde von Lili (großteils UNDP), mit denen wir nächste Woche zum Rafting fahren.
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nachdem einige Nachfragen gekommen sind, gibt's jetzt übrigens auf der rechten Seite eine Verlinkung zu einer ziemlich brauchbaren Landkarte von BiH.

2007/07/20

Run away from all your boredom

Bisher hab ich nicht gerade viel abgearbeitet auf meiner eh ziemlich bescheidenen Kurztrip-Wunschliste, welche die folgenden Punkte umfasst:

1) Belgrad
2) Banja Luka
3) kroatische Kueste (vorzugsweise Dubrovnik)
4) Priština
5) Rafting auf der Neretva
6) Mostar

Wirklich zufriedenstellend war bis jetzt eigentlich nur der Abend in Mostar; wahrscheinlich, weil ich dort im Gegensatz zu den anderen trips to the field ein paar Stunden fuer mich hatte, um rumzulaufen - und vielleicht auch weil ich eh schon mal dort war. Eventuell liegt's aber auch daran, dass Mostar derzeit eine ziemliche Touristenhoelle is. Als wir letzes Jahr gegen Ende Mai dort waren, hab ich naiverweise noch gedacht, wie nett es doch ist, dass in der Altstadt so viele Staende mit Souvenirs usw. aufgebaut wurden, wo doch praktisch keine Urlauber unterwegs sind. In Wirklichkeit haben all die Verkaeufer jedoch garnicht hoffnungsvoll auf die Leute, die vielleicht in einigen Jahren (wenn die weitverbreitete Ueberzeugung, dass "da unten eh noch immer Krieg is" endlich mal von der Wahrheit verdraengt wird) eintreffen, gewartet, sondern vielmehr auf die Scharen von Touristen, die schon wenige Wochen spaeter fuer einen Tagesausflug von der kroatischen Kueste herpendeln oder teilweise auch einige Tage lang bleiben. Orte, in denen die Preise auf der Speisekarte neben der einheimischen Waehrung auch in Euro angeschrieben werden, sind mir ja generell etwas unsympathisch (v.a. wenn der hochkomplizierte Rechenprozess darin besteht, den KM-Preis durch 2 zu dividieren)... die Altstadt und die Bruecke sind aber unveraendert sehr, sehr schoen.

Belgrad war eigentlich fuer dieses WoEnde geplant, muss jetzt aber erneut verschoben (und somit das schon gebuchte Hotel nervigerweise storniert) werden, da Kjetil heute am spaeten Nachmittag an einem Meeting teilnehmen soll und wir schon gegen 14:00 losfahren wollten, damit es sich einigermassen auszahlt. Zuerst haben wir ueberlegt, einfach naechste Woche zu fahren, dabei kommt uns aber ein gemeinsamer Trip einiger OSCE-Leute zum Rafting auf der Tara dazwischen, der vermutlich sogar noch besser wird als Rafting auf der Neretva, das ich mir auf Grund von Erzaehlungen diverser Leute schon seit langem ziemlich toll vorstelle und das angenehmerweise auch bei den anderen auf extrem positive Resonanz gestossen ist. Rafting ist bei konstanten Temperaturen ueber 35 Grad wohl auch angenehmer als eine Staedtereise...

Gestern fand im Haus eines Arbeitskollegen die Abschiedsparty fuer Antoanela, Deputy Director unseres Departments statt, da sie die Mission verlaesst, um in Genf fuer die UNO im Office of the High Commissioner for Human Rights zu arbeiten. Obwohl uns Una angekuendigt hatte, dass diese Parties meistens sehr lustig sind, waren wir doch ueberrascht, wieviel Spass wir dann tatsaechlich dort hatten - und welche Mengen an Alkohol dabei draufgegangen sind. Auf dieser Party, zu der VR netterweise gleich mit eingeladen wurde, da es ihr letzter Abend in Sarajevo war und ich sie nicht einfach versetzen wollte, wurde auch der Rafting-Trip vereinbart - organisiert wird das Ganze von Lili, einer huebschen, Zigarillos und Whiskey in abartigen Mengen zugeneigten, pokerspielenden Armenierin, die darueber hinaus Human Rights Officer im OSCE Field Office in Foča ist... interessante Leute, wie gesagt.
Heute ist es dementsprechend etwas ruhiger hier im Buero und einige tragen einen mehr oder weniger ausgepraegten Kater spazieren. Die naechste Party wartet aber schon: Am Montagabend feiert Master James himself seinen Geburtstag - oder, wie er es im Einladungsmail ausgedrueckt hat: "On Monday, time's winged chariot will swoop down from the sky and run me over another time. Call it nature's annual hit-and-run or the grave's yearly drive-by-shooting. So as I take another step towards decrepitude, I would like to invite you to come to my abode for drinks and snacks on this day of celebratory mourning. Things should kick off about 7 pm as both the temperatures and dangers of my further decomposition wane."
Sollte wieder ziemlich gut werden, denk ich - und bis dahin ist auch Una, die gestern ihre Weisheitszaehe rausoperiert bekam (und Kjetil und mir somit die Gelegenheit gibt, heute abend endlich mal in vegetarierfreier Runde Ćevapi im Banja Lučki zu essen, hehe) hoffentlich auch wieder mit dabei.

2007/07/19

Travel/Security Advisory

Please note that tonight, 19 July 07, a football match for the first qualifying round of the UEFA Cup between "FK Zrinjski" (Mostar) and "FK Partizan" (Belgrade) will take place in Mostar, starting at 20:00 hrs. This football match is regarded to carry an extremely high potential for violence.
According to the latest information organizers of the match expect 9000 supporters out of which app. 1000 are considered guest supporters (Partizan).
With the purpose of securing the event the police will deploy app. 1000 police officers.
Please take note that MOSTAR will be OFF LIMITS to OSCE Staff tonight, 19 July 07, from 1800h to 2330h in order to prevent our staff from getting injured or OSCE vehicles to get damaged.
Also any presence of OSCE vehicles in Mostar downtown is strictly forbidden tonight from 1800h until tomorrow morning.

pfff... Spielverderber! ;)
update

2007/07/17

snippets & gossip

I) Angesichts dessen, dass Kjetil der einzige Mann neben uns vier weiblichen Interns in unserem Department ist, scheint's vielleicht wenig verwunderlich, dass sie alle reihenweise a little crush on him entwickeln (ich aber natuerlich nicht - was soll ich auch mit einem zweiten Skandinavier, noch dazu einem blonden, wenn ich doch eh schon den allerbesten von der Sorte hab? ;) ). Er selbst nimmt das so weit ich merke garnicht wahr.
Yana ist ihm sowieso rettungslos verfallen, seit er gemeint hat, fuer ihn waers selbstverstaendlich, auch eine Weile daheim zu bleiben, wenn seine zukuenftige Frau und er irgendwann ein Kind bekaemen ("Oh, that's soooo progressive and soooo modern... I have to get visa for Noooorway, to look for a husband!!"). Gluecklicherweise war ich bei der Gelegenheit nicht dabei, denn auch wenn das natuerlich eine scherzhafte Bemerkung war, haette ich sicher wieder irgendwas Unpassendes ueber die gesellschaftlichen Strukturen in manchen neuen Mitgliedsstaaten der EU gesagt und dann bin ich wieder die boese-boese-Westeuropaeerin-aus-der-Hoelle, mit der man nicht zum Mittagessen gehn mag...
Ausserdem hat Una mir letztens noch ganz amuesiert erzaehlt, dass Claire gemeint hat, wenn sie nicht ihren Freund daheim haette, waere Kjetil perfekt fuer sie. So weit, so gut - am So. jedoch hab ich mich dann mit Kjetil und Una zum Mittagessen getroffen und hab zunaechst voellig ohne Hintergedanken festgestellt, dass Una sich wirklich huebsch hergerichtet hatte... Im weiteren Verlauf wurde dann aber durch diverse (teilweise unbewusste) Kleinigkeiten ziemlich klar, was dahinter steckt.
Nicht, dass es mir nicht eigentlich voellig wurscht waere, ob sie was von ihm will oder ob die beiden was miteinander haben - es geht eher um's Prinzip: wenn jetzt schon nette, harmlose Norweger anfangen wuerden, ihre langjaehrigen Freundinnen mit US-Amerikanerinnen mit schlechter Haut zu bescheissen, sobald sie sie zwei Wochen nicht sehen - dann gibt's ja wohl echt ueberhaupt keine Hoffnung mehr. Jedenfalls gut, dass wir unseren Trip nach Belgrad jetzt schon dieses WoEnde machen - nochmal eine Erfahrung wie Istanbul 2001 wuerde ich dann doch ziemlich verzichtbar finden...

II) Bijeljina gestern war sehr nett - Fotos gibt's in ein paar Tagen. Nachdem die Stadt sehr nahe an der Grenze liegt, fuehrte die Strasse eine Weile direkt an der Drina, dem Grenzfluss zwischen BiH und Serbien entlang. Unglaublich schoene Landschaft - aber leider nur verschwommene Fotos, nachdem wir ziemlich in Eile waren und ich daher nicht fragen wollte, ob wir kurz eine Fotopause fuer die kleine Touristin machen koennen.
Den ultimativen Hardcore-Moment gab's aber gleich beim Wegfahren, da unser OSCE-Auto mitten auf der riesigen Kreuzung direkt vor dem Office eingangen is... und zwar wirklich eingegangen, im Sinn von noch 1m ausrollen und das war's dann. Von allen Seiten sind hupende Autos mit quietschenden Bremsen auf uns zugerast und im selben Augenblick kamen im Radio die ersten Takte von Arcade Fire - Intervention (absolut grossartiges Lied! Absurderweise auch mein erster Gedanke in dieser Situation - just a sucker for good music, I guess) mit diesem wirklich lauten Orgeleinsatz direkt am Anfang. Ich muss zugeben, dass das doch einigermassen zach war, auch wenn's gluecklicher- und ueberraschenderweise keinen Unfall gegeben hat, da alle irgendwie ausweichen konnten.

III) Generell, Radio hier in BiH koennte mich glatt dazu bringen, meinen Totalboykott dieses Mediums nochmal zu ueberdenken: Alle Tracks werden immer ganz ausgespielt, kein nervtoetendes Gequatsche dazwischen (und wenn doch, wuerd ich's wenigstens nicht verstehn, hehe), nur kurze Nennungen von Interpret + Titel, ausser halt die Kurznachrichten einmal pro Stunde. Kein Verkehrsfunk-Gelaber, keine pseudolustigen Schmaehsendungen... nur Musik, und zwar gute. Auf welchem Sender in Oe. koennte man
- George Michael - Somebody To Love (live at the Freddie Mercury Tribute Concert, 1992)
- Oasis - It's Gettin' Better (Man!!)
- Robbie Williams - Angels (meine favourite Live-Version, noch dazu)
- The Rolling Stones - Start Me Up
innerhalb von ca. 20 Minuten hoeren?

IV) bisher am Strassenrand gesichtete markierte Mindenfelder: Ø;
bis letzten So. in Sarajevo angetroffene deutsche StaatsbuergerInnen: ebenfalls Ø (dafuer am So.Nachmittag dann gleich 2x... aber trotzdem: wieviele Orte gibt's noch auf diesem Planeten, wo man zur Hauptreisezeit zwei Wochen lang keine Deutschen trifft?! Das is eine definitive Reiseempfehlung...)

V) Somit entschwinde ich einigermassen ueberraschend (und mir ganz und garnicht in die Planung passend) bis morgen nach Mostar...

2007/07/15

"some things shouldn't be about politics... they should be about people"

Wieder zurück from the field - wir sind Do.Nachmittag nach Banja Luka losgefahren (über Travnik, also war ich dort auch mal wieder... am Rückweg tatsächlich persönlich nicht ganz unbedeutende Stellen im Vorbeifahren wiedererkannt und natürlich grinsen müssen) und haben dort in einem sehr netten Hotel an einem kleinen See übernachtet. Am Freitag ging's dann ins ca. 40 Min. entfernte Prijedor, wo wir uns mit VertreterInnen einer NGO (Association of Women from Prijedor - IZVOR) getroffen haben. Die Organisation versucht unter anderem, die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen Justiz und Bevölkerung in Bezug auf die Strafverfolgung von Kriegsverbrechen zu fördern und zu verbessern, wobei die Fortschritte aber mangels Geld und Interesse auf Seiten der Institutionen nach wie vor sehr spärlich sind. Nachdem ich im Rahmen meiner Arbeit bei der OSCE den aktuellen Stand der Dinge in Bezug auf derartige Outreach-Massnahmen erfassen, sowie Verbesserungsvorschläge und anderswo erfolgreich angewendete Konzepte zusammentragen und auswerten soll, war dieser Bereich ihrer Tätigkeit der eigentliche Grund unseres Besuchs.
Der Hauptteil ihrer Arbeit besteht jedoch im Versuch, das Schicksal mehrerer tausend vermisster Personen aus der Gemeinde Prijedor zu klären, welche vermutlich in die nahegelegenen Gefangenenlager Omarska, Keraterm und Trnopolje gebracht und dort getötet wurden. Mehrere der Hauptverantwortlichen wurden inzwischen vor dem ICTY angeklagt/verurteilt, wobei gleichzeitig auch die Identität vieler weiterer Täter festgestellt und an die bosnische Justiz weitergegeben wurde. Gegen viele dieser ehemaligen Aufseher, Wachen,... liegen inzwischen formelle Anklagen vor; nichts desto trotz leben sie - sowohl auf Grund politischer Einflussnahme, als auch vor allem auf Grund der der Fülle an Anklagen nicht gewachsenen Strukturen - nach wie vor unbehelligt in ihren Häusern in Prijedor, sodass Überlebende oder Hinterbliebene von Opfern ihnen regelmäßig begegnen müssen - hierzu wurden unzählige, teilweise fast unglaubliche Beispiele genannt. Die NGO arbeitet daran, der serbischen Bevölkerung Prijedors die Geschehnisse in den Lagern bewusst und die Namen der Täter publik zu machen.
Manche der ehemaligen Lageraufseher sind heute in Institutionen tätig, welche eigentlich zur Unterstützung potentieller Zeugen von Kriegsverbrechen geschaffen wurden... wenig überraschend werden deren Leistungen kaum in Anspruch genommen. IZVOR versucht, (potentielle) Zeuginnen und Zeugen zu unterstützen, indem Transport/Begleitung zur Aussage vor Gericht, genaue Aufklärung über den Verlauf eines Verfahrens oder auch psychologische Betreuung angeboten werden. Die einen unermüdlich idealistischen Eindruck erweckenden MitarbeiterInnen der NGO sind sich im Klaren darüber, dass es nie möglich sein wird, gegen alle mutmaßlichen Täter, in deren Fall ausreichend Beweise für einen Prozess vorliegen (in ganz BiH ca. 13000 Personen) ein Verfahren zu eröffnen - ihr Ziel ist es, durch die konkrete Möglichkeit von Strafverfolgung und öffentliche Abgrenzung zumindest das Gefühl völliger Sicherheit dieser Personen ins Wanken zu bringen und dadurch eine Art von Ausgleich zu schaffen. Positiv überraschend fand ich darüber hinaus die mehrfach in verschiedenen Zusammenhängen geäußerte Kritik an der muslimischen Gemeinde in Prijedor, welche deutlich machte, dass diese Menschen, welche großteils selbst unmittelbar zu Opfern geworden sind, und/oder zahlreiche Angehörige verloren haben, dennoch fähig sind, die Vorgänge objektiv zu beurteilen.
Reichlich interessante Informationen also, auch wenn nur ein Bruchteil davon für meinen Outreach-Bericht verwendet werden kann. Bin schon gespannt auf das Treffen mit dem Helsinki Committee for Human Rights der Republika Srpska am Mo. - auf diese Organisation bin ich im Zuge der Recherchen für eine Seminararbeit bereits vor einiger Zeit gestossen, wobei mein Bild nicht unbedingt ausschließlich positiv war.

Den Samstagvormittag hab ich dann mit einem ausgedehnten Streifzug über die Ferhadija (Fußgängerzone/Einkaufsstrasse in Sarajevo) verbracht, wobei ich angesichts der geradezu überwältigenden Unterstützung aus der Schatztruhe des "Freistaats" einiges an Büchern, CDs und Anziehzeugs gekauft hab... Am Nachmittag haben Una und ich die Quellen der Bosna in Ilidža, einer Vorstadt von Sarajevo, besucht - wobei ich aber zugeben muss, dass der "brav herumspazieren"-Teil zugunsten von "herumsitzen und tratschen" etwas vernachlässigt wurde... also keine Sorge, ich bin immer noch ich selbst.

Morgen treffen auch die ersten Besucherinnen ein: D und B schauen auf ihrem Balkantrip natürlich auch in Sarajevo vorbei und VR kommt jetzt auf Grund diverser unumgänglicher Planänderungen doch schon morgen statt am Wochenende her. Zwar etwas schlechtes Timing, nachdem ich ja am Mo. von frühmorgens bis in der Nacht in Bijeljina sein werde, aber irgendwie wird sich das schon ausgehn. Das eine oder andere Reminiszenz-Sarajevsko im City Pub sollte auf jeden Fall drinn sein...

>>> FOTOS gibt's auch wieder mal...

2007/07/11

11/07/1995 ... 11/07/2007

12. Jahrestag der Einnahme der Enklave von Srebrenica.

Die diversen victims' organisations sind dementsprechend eifrig am Werk... Ueberall haengen Plakate und Poster, welche auf den Jahrestag hinweisen; ausserdem wurden Ausstellungen und aehnliches organisiert. In Srebrenica selbst bzw. im wenige Kilometer entfernten Potočari, wo das Srebrenica Memorial errichtet wurde, findet heute die Beisetzung weiterer 465 Opfer statt, welche zuvor im Konvoi von Višoko (Naehe Sarajevo) nach Srebrenica gebracht wurden. Natuerlich sind diverse VertreterInnen der international community bei der Gedenkfeier vor Ort, allen voran ICTY Chief Prosecutor Carla Del Ponte, die ihre Position von 2005 (Nicht-Teilnahme aus Protest, nachdem Mladić und Karadžić nach wie vor frei sind) wohl auf Grund praktischer Erwaegungen endgueltig aufgegeben hat. Vermutlich ist auch irgendwer von der OSCE vor Ort (Master Rodehaver allerdings nicht, der ist naemlich derzeit in Wien) - uns anderen wurde jedoch im morgentlichen Security Update folgendes verlautbart: "To prevent any possible security/travel implications SREBRENICA and BRATUNAC are off limits for all OSCE staff on 11 Jul 07."
Am 8. Juli startete in Sapna (in der Naehe von Tuzla) ein Gedenkmarsch mit etwa 1800 - 2500 TeilnehmerInnen Richtung Srebrenica. Die Strecke entspricht jener, auf der eine Gruppe von Fluechtenden aus der Enklave 1995 zu entkommen versuchte. Am Abend des 11. Juli 1995 versteckte sich ein Teil der maennlichen Bewohner Srebrenicas soweit moeglich in den umliegenden Waeldern und versuchte spaeter gemeinsam mit den in der Enklave verbliebenen Angehoerigen der bosnisch-muslimischen Armee (den wenigen, die nicht - Pech? Zufall? schlechtes Timing? verschwoerungstheoretische Paranoia? - trotz sich deutlich zuspitzender Lage wenige Tage zuvor abberufen worden waren), in muslimisch kontrolliertes Gebiet durchzukommen. Zeugenaussagen sprechen von 4.000 bis 15.000 Maennern, die sich auf den Weg machten; bezueglich der Frage, wieviele davon trotz mehrfacher Angriffe auf die Marschkolonne sicher in Tuzla angekommen sind, habe ich noch keine ansatzweise vertrauenswuerdige Aussage gelesen. Nicht, dass Zahlen im Fall Srebrenicas irgendwas anderes waeren als manipulativ eingesetzte Waffen.
Auf der - erfolglosen - Suche nach einem genaueren Richtwert hab ich grad unter anderem nochmal in der englischsprachigen wikipedia nachgeschaut, da dieses Medium bei solchen Sachen normalerweise ueberraschend vertrauenswuerdig ist, weil sich die diversen, unterschiedlichen Ethnien angehoerigen Autoren ja auf fuer alle halbwegs akzeptable Werte einigen muessen... Derzeit scheinen dort aber die pro-serbischen Verfasser die Nase vorn zu haben, was sich an Behauptungen wie "The vast majority of the people from Srebrenica later reported as missing were among the 10,000 to 15,000 people who undertook this perilous journey." ablesen laesst. Mhm, genau... und sie sind alle an Erschoepfung und Dehydrierung gestorben.

Wie auch immer... ich beweifle, dass die "Wahrheit" ueber das, was im Juli 1995 in Srebrenica geschehen ist, jemals herauskommen wird - auch dann nicht, wenn Ratko Mladić schon lange in Freiheit gestorben ist und neben seiner Tochter, welche 1994 Selbstmord beging und deren Grab in Belgrad er nach wie regelmaessig besucht, begraben liegt. Madame Del Ponte's Arm reicht wohl nicht weit genug, um trauernde Vaeter zu belangen.
Vermutlich gibt es diese eine, definitive "Wahrheit" auch garnicht - jede/r einzelne Beteiligte hat doch sowieso seine eigene, und versucht mit den Konsequenzen so gut (oder schlecht) wie moeglich umzugehen. Die niederlaendische Regierung ist 2002 als Reaktion auf den NIOD-Bericht (grossteils als symbolische Geste, nachdem die Legislaturperiode ca. 2 Monate spaeter ohnehin geendet haette) zurueckgetreten, Thomas Karreman hat die Armee verlassen und ist nach Spanien ausgewandert, die Schulterklopfer der international community finden sich jedes Jahr in Srebrenica ein. Die meisten Serben lernen langsam, ihre Verantwortung ansatzweise einzugestehen und die meisten muslimischen Frauen von Srebrenica geben die Hoffnung auf Hinweise auf den Verbleib ihrer Soehne und Maenner und die daraus resultierende Hoffnung auf ein Grab, das sie besuchen koennen, sowie die auf Rueckkehr in ihre Haeuser, ebenso langsam auf.


"If the world weren't such a beautiful place, we might all turn into cynics."
(Paul Auster, Moon Palace)


2007/07/10

I'm going where the water tastes like wine...

Inzwischen hab ich eine kleine und ziemlich gut gelegene Wohnung ganz fuer mich allein gefunden und bin am Wochenende auch schon dorthin uebersiedelt. Internet kommt (hoffentlich!) bis heute Abend, somit sollte fuers erste alles geregelt sein hier...

Fuer morgen und uebermorgen war eigentlich mein erster trip to the field nach Banja Luka + Mostar od. Tuzla geplant - hab jetzt aber gerade erfahren, dass sich das Ganze auf Donnerstag und Freitag (vorerst nur Banja Luka fix) verschoben hat, was etwas bloed is, da ich eigentlich mit Yana, Una und Kjetil uebers Wochenende nach Belgrad fahren wollte. Naja, mal schauen... vielleicht gehts sich ja trotzdem aus; angeblich kommen wir am Nachmittag zurueck und die andren fahren eh erst nach der Arbeit los. Die Fotoausstellung zu Srebrenica, die am 12. in Sarajevo stattfindet, verpasse ich leider definitiv. Ich hoff, das etwas schlechte timing bez. field trips is nur einmaliger Zufall und kein Dauerzustand - koennte angesichts diverser anstehender BesucherInnen sonst etwas laestig werden.
Anyway, ich freu mich nat. trotzdem voll drauf... wir treffen einige interessante Leute dort und nachdem Lejla, die ich begleiten werde, selbst aus Banja Luka ist (nicht umsonst fahren wir schon Do.Abend weg, obwohl wir erst Freitag Vormittag Termine haben, hehe), sollte das ziemlich nett werden.
Am Mo. bin ich dann schon wieder unterwegs, hab allerdings noch nicht rauskriegen koennen, wo's genau hingehn wird.

Also definitiv nicht langweilig hier, nachdem ja schon besorgte Nachfragen kommen... ;)

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edit: offensichtlich geht's am Mo. nach Bijeljina - sollte also auch wenn sich Belgrad nicht ausgeht ein serbischer Schwerpunkt werden in den naechsten Tagen...

2007/07/09

update

2007/07/07


"working diligently on my internship..."

2007/07/06

I'm young and I'm underpaid

Langsam geht was weiter hier... Hab endlich einen Ueberblick ueber meine Aufgaben bekommen, mit denen ich auch sehr zufrieden bin (aber ich will hier niemanden langweilen...) und mit ein bissl Glueck sollte ich noch vor dem Wochenende eine Wohnung finden.
Momentan ersticke ich fast unter Bergen von Papier, da ich mit Reports und Papers ueberhaeuft werde, die ich mich "doch kurz mal anschauen" soll... offensichtlich haelt die Tatsache, dass man hier als Intern nicht bezahlt wird, niemanden davon ab, mir massenhaft Zeugs aufzuladen. Wobei die anderen Interns in dieser Hinsicht eh etwas freakig sind... lauter potentielle neue UN-GeneralsekretaerInnen hier (zumindest, was die Ambitionen angeht).
Ich glaub, ich bin die einzige, die auch hierher gekommen ist, um die Sarajevo bzw. BiH generell zu sehn und besser kennenzulernen - die meisten anderen koennte man ohne groessere Schwierigkeiten in andere Gebiete mit aehnlichen Problemen bei der Implementierung von Menschenrechten versetzen und sie wuerdens nicht mal merken... Dementsprechend sind sie alle voll beeindruckt, dass ich tatsaechlich ueber den Kriegsverlauf in BiH, die politische (Vor-)Geschichte usw. Bescheid weiss. Wobei ich ja der Ansicht bin, dass es ihnen als Mitgliedern der International Community hier wirklich nicht schaden wuerde, darueber informiert zu sein, denn man kann doch trotz Aehnlichkeiten bestimmte Problemfelder nicht ueberall gleich behandeln... aber naja, vielleicht sind das auch bloss die auf Jus spezialisierten Interns hier, die nicht bes. viel ueber die Hintergruende wissen. Una, die wie ich PoWi studiert - allerdings auf deutlich anderem Level mit haufenweise Praktika und Forschungsaufenthalten und namhaften Unis/Programmen (und sie is noch nicht mal 21, wah) - hat doch etwas mehr Plan von dem Ganzen.

Davon abgesehn hab ich endlich erfahren, welcher der beiden Fussballclubs in Sarajevo der Gute is ("Of course you must like FK Sarajevo. It is se klub for se intellectuals... Željezničar is for manual people, you know?") und kann somit Nachts wieder ruhig schlafen.

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edit: Haha, ich hatte doch tatsaechlich 5(!) Besuche aus Australien von www.escape-chute-systems.com/webstat/usage_200707.html - die produktimmanente Paranoia greift wohl auch auf die Hersteller ueber...

2007/07/04

If you never try, then you'll never know

soooo... ein paar Fotos der ersten beiden Tage finden sich hier.

Am Nachmittag soll ich angeblich endlich ein Meeting haben, bei dem Lejla, die auch im Bereich war crimes taetig ist, mir vermutlich erklaeren wird, was genau ich eigentlich hier machen soll.
Heute ist ein weiterer Intern aus Norwegen in unserem Department angekommen und fuer uns beide gibt es morgen Briefings durch verschiedene MitarbeiterInnen des Departments, darunter (finally!) auch Master Rodehaver himself. Bin schon gespannt auf ihn; es kursieren einige Geschichten, die ziemlich aufregend klingen - zB dass er sich vor einigen Jahren auf dem Rollfeld ganz allein vor ein Flugzeug gestellt haette, um dieses am Abheben zu hindern, weil es Fluechtlinge zurueck in den Kosovo(?) bringen sollte... oder so. Wie immer bei solchen Gschichtln war niemand dabei, sondern jeder hat's nur von irgendwem gehoert, der's von wem anders gehoert hat usw. - aber trotzdem: scheint ein interessanter Mensch zu sein.
Generell komm ich mir hier ein bissl vor wie in einer dieser US-amerikanischen Fernsehserien, wo tausend Geruechte kursieren und immer getratscht wird und im Hintergrund Intrigen ablaufen - office gossip & rumors sind hier ein aeusserst beliebter Zeitvertreib fuer so ziemlich jeden, wobei die Interns natuerlich eine abgeschlossene Clique bilden, die ungestoert ueber jeden laestern kann.
Inzwischen sind wir fuenf PraktikantInnen hier: Kjetil (Norwegen), Una (US), Claire (UK), Yana (Bulgarien) und ich selbst. Heute Abend gibt's eine Party in Unas Wohnung, zu der ausser uns auch noch einige Interns von der italienischen Botschaft und wasweissich wo noch kommen werden. Sollte lustig werden.

Das Wohnungsproblem ist vorerst auch geloest - nachdem Yanas Mitbewohnerin vor einigen Tagen ausgezogen ist, kann ich fuers erste deren Zimmer haben - bin also gestern aus dem auf Dauer doch zu teuren Hotel uebersiedelt. Die Wohnung is eine extrem nette, mit allem moeglichen Zeugs (10000 alte Buecher, Fotos und Bilder, alter Deko-Kram) vollgestopfte Hoehle unterm Dach mit schraegen, holzvertaefelten Waenden - wenn sie nicht ueber 30 Min. Fussweg (wiederum auf einem dieser abartig steilen Huegel) von Zentrum und Arbeit entfernt waere, wuerd ich sicher dauerhaft dort bleiben.

2007/07/02

Welcome to Sarajevo

Knappe 24h hier bis jetzt und das Sarajevsko Pivo schmeckt immer noch ausgezeichnet, die Čevapi im Banja Lučki ebenso. Die Stadt is im Grossen und Ganzen gleich geblieben und brachte mich beim ersten Rundgang in Baščaršija nach jedem zweiten Schritt zum Grinsen angesichts alkoholumwoelkter Erinnerungen an den vorigen Besuch. Das Parlament hat sich magischerweise von einer Ruine in einen Glasturm verwandelt, die Bibliothek is leider unveraendert - die extremst grindige Mijacka auch.
Die Leute sind nach wie vor auffallend nett, besonders mein neuer bester Freund Žiga, der mich im Auftrag der OSCE am Flughafen abgeholt hat. Nachdem er mich in mein dubioses Hostel gefahren hat, das ihm auf den ersten Blick nicht zusagte, hat er mich noch brav zu meinem Zimmer unterm Dach (read: Grundflaeche ca. 3,5m², Raumhoehe in der Mitte 1,5m) begleitet, das ich auch gleich auf den ersten Blick etwas schmuddelig fand. Žiga war allerdings dermassen schockiert, als er meine Zelle gesehn hat, dass er sofort meinte, er wuerde versuchen, im Hotel von Freunden seiner Familie ein Zimmer fuer mich zu bekommen. 2 Minuten spaeter, als ich die erste von ungefaehr 50 Kellerasseln, die die 3,5m² mit mir teilen wollten, entdeckt hab, war ich ihm ziemlich dankbar. Bin einige Stunden spaeter (nachdem ich vom Inhaber der Asselbude nach beiderseitig abwechselndem Sudern und Entschuldigen, sowie Bezahlung der kompletten ersten Nacht (+ deposit fee, der ja schon bei der Buchung faellig war) meinen Pass wiederbekommen hab) in ein wirklich nettes Hotel in Bjelave (das Viertel in dem Žigas Familie lebt und das seiner Auskunft nach heute zunehmend als "fein" gilt, weil dort die ganzen auslaendischen Vertretungen sind) uebersiedelt. Grosses, schoenes und sauberes(!) Einzelzimmer - dank meinem Freund, dem Fahrer (der sicher auch besseres zu tun gehabt haette, nachdem er schon off duty war und seine Frau jede Minute das zweite Kind erwartet) auch noch 10 Euro/Nacht billiger und somit leistbar - mit genialer Aussicht ueber die Stadt... das Hotel liegt naemlich auf einem ziemlich hohen und steilen Huegel noerdlich vom Stadtzentrum. Sollte ich mich dafuer entscheiden, das im obersten Stockwerk untergebrachte Appartment zu mieten (krieg ich heute Abend oder morgen vorgefuehrt), muss ich definitiv aufhoeren zu rauchen, nachdem ich gestern beim Raufgehn durch mein Gekeuche schon besorgte Blicke von Passanten auf mich gezogen hab. Dafuer sollte ich bis September den knackigsten Hintern zwischen Sarajevo und Wien haben.
Heute frueh bin ich dann brav ca. 20 Min. zu Fuss den Huegel runter zu den UNITIC Towers in die Arbeit gegangen - alles sehr ruhig und nett, bis auf eine um 8:00 frueh doch unerwartete, ziemlich grosse Menschenansammlung vor einem Gebaeude, das sich beim Naeherkommen als oesterreichische Botschaft herausstellte.
Beobachtete gewaltsame Konflikte bisher nur zwischen meinen sneakerverwoehnten Fuessen und den arbeitsbedingt neuerworbenen Maedchenschuhen - momentan humple ich ganz im Stil Aschenputtels boeser "ruckedigu, Blut ist im Schuh"-Stiefschwestern durch die Gegend... Dafuer gleich was gelernt: wenn dein Verkaeuferinnen-Gegenueber ausnahmsweise weder deutsch noch englisch spricht, und das Kroatisch-Woerterbuch sinnloserweise oben am Moerderhuegel liegt, ersatzweise einfach westlichen Markennamen einfuegen - in dem Fall "Hansaplast" - und gewuenschtes Produkt ohne weitere Schwierigkeiten um 30% billiger als selbst die optimistischste Schaetzung erwerben.
Die OSCE-Leute sind bisher alle wahnsinnig nett - hab bis jetzt ca. 3000 Formulare ausgefuellt, darunter eines, in dem ich erklaeren musste, wer im Fall meines Todes das Geld bekommt, das mir die OSCE eventuell (siehe anderes Formular) als Unterstuetzung ausbezahlt. Ich konnte bis zu vier Personen angeben und auch prozentuell aufteilen, wer wieviel bekommen soll... nett. Ausserdem gibts eine extrem coole Sicherheitskarte mit Foto (wie ueblich, dabei hab ich mich diesmal wirklich bemueht, nicht voellig entnervt auszusehen) + einen Chip zum Tueren oeffnen, den man ungefaehr alle 3 Meter braucht. Ueberhaupt ziemlich gefinkelt, das ganze Sicherheitszeugs hier: es gibt einen 12seitigen Guideline-Katalog "for your personal safety" fuer neue Mitarbeiter, der sich auch gleich direkt auf die brisantesten Sicherheitsrisiken konzentriert:

SECURITY ADVISORIES
Security Advisory on: Personal Security Measures


1 ALCOHOL
Mission members should limit alcohol consumption as intoxication makes individuals more vulnerable and less capable of handling potentially dangerous situations.


Ausserdem hab ich eine Einschulung in der Verwendung der fuer jeden Mitarbeiter obligaten Brandfluchthaube(!) bekommen (das Ding hat Atemluft fuer 15 Minuten, angeblich is man im Notfall nach 9 Min. ausm Gebaeude draussen... ich wuerd's vorziehn, das nicht auszutesten), wobei mir geraten wurde, das Ding irgendwo im Schreibtisch zu verstauen und dann zu vergessen - "und bloss nicht das Siegel auf der Verpackung kaputt machen, sonst kostet das 150 Euro" - ah ja. Am Dach unseres Turmes gibt's darueber hinaus fuer echte Hardcore-Notfaelle dieses huebsche Ding... 9/11 hat wohl alle ziemlich paranoid gemacht.

Ansonsten warte ich nach wie vor darauf, dass JR (aka Master Rodehaver, Head of Department der Human Rights Abteilung und mein Supervisor) mal kurz Zeit fuer mich hat, um mir zu erklaeren, was genau ich hier eigentlich machen soll. Bei der Vorstellungsrunde durch alle Bueros im Department wurde zumindest schon klar, dass ich tatsaechlich wie gehofft "on war crimes" arbeiten werde, was den Reaktionen nach das angesehenste der sieben Betaetigungsfelder im Department zu sein scheint.
Ausser mir arbeiten derzeit noch drei andere Interns hier (Bulgarien, UK, US), ein Norweger soll am Do. noch dazukommen. Heute Abend gibt's jedenfalls erstmal bulgarische baniza (angeblich sowas wie burek) bei Yana, wo ich auch gleichzeitig ein potentielles Zimmer besichtigen werde.

Fotos gibt's auch bald mal, versprochen...