Der heutigen Ausgabe des
Independent zufolge zieht die Internationale Gemeinschaft ihre Unterstuetzung fuer die Unabhaengigkeit des Kosovo einen weiteren Schritt zurueck. Mit Verweis auf den deutschen Botschafter in London und Vertreter der EU in den Statusverhandlungen, Wolfgang Ischinger, wird festgehalten, dass
"Kosovo is no longer being offered internationally-supervised independence from Serbia", was ich grundsaetzlich gar nicht so schlecht finde.
Auch wenn man die zum ueberwiegenden Teil historisch begruendeten Ansprueche Serbiens auf das Gebiet des Kosovo als Schauplatz der Schlacht am Amselfeld (1389), einem der grossen serbischen Gruendungsmythen, ausser Acht laesst, stellt sich doch die Frage nach Sinn und Vorteil einer staendig weiter fortschreitenden Zersplitterung der Region in immer kleinere und nicht mal mehr ansatzweise selbststaendig "ueberlebensfaehige" Einheiten. Der Kosovo als wirtschaftlich schwaechste und unterentwickeltste Region Jugoslawiens verfuegt heute noch weniger ueber die oekonomischen Moeglichkeiten, sich irgendwann in den naechsten Jahren selbst zu erhalten. Der kosovo-albanische Anspruch, nach der Repression durch das Milošević-Regime nicht mehr zu einem serbischen Staat gehoeren zu wollen/koennen, kann derartige praktische Ueberlegungen doch wohl kaum aufwiegen? [Ok, hier kommt mir vermutlich mein ueberwiegendes generelles Unverstaendnis fuer derartige Bestrebungen, sowie meine unerklaerliche Antipathie gegen Albaner in die Quere - beides fuer die Einschaetzung der Situation laestige Hindernisse, deren ich mir durchaus bewusst bin, und die ich trotzdem nie ganz aus dem Kopf bekomme.]
Letzten Endes laeuft im Kosovo jedenfalls alles auf die Errichtung eines weiteren "Protektorats" (bin das uebrigens nur ich, die durch diesen Begriff immer an zweifelhaftes Kolonialismus-Neusprech aus der duestersten
"white man's burden"-Ecke erinnert wird?) der Internationalen Gemeinschaft hinaus. Im Gegensatz zu BiH - welches der ehemalige
High Representative Christian Schwarz-Schilling uebrigens im Rahmen eines Vortrags in Wien im Oktober 2006 herzhaft lachend als die
"letzte absolutistische Monarchie Europas mit mir als Alleinherrscher" bezeichnet hat - besteht im Fall des Kosovo jedoch nicht die Aussicht, in absehbarer Zeit wirkliche Eigenverantwortung zu uebernehmen oder ohne finanzielle Hilfe aus dem Ausland auszukommen.
Die Internationale Gemeinschaft sah bisher
"internationally supervised independence" als beste Loesung - das scheint nun erstmal vom Tisch zu sein. Ischinger:
"I would say that we will try to reach a status solution which will provide for an internationally-supervised status for Kosovo. I would leave open independence. I would rather talk about a strong supervised status." (
1) Waehrend diese Einschraenkung zum Grossteil durch die Weigerung Serbiens bzw. Russlands, Unabhaengigkeit fuer den Kosovo als Verhandlungsoption in Erwaegung zu ziehen, bedingt wird, stellt ein Kosovo, in dem man voellig ungehindert ein und aus gehen kann, natuerlich auch einen wunderbaren Ausgangspunkt fuer diverse Abenteuer weiter im Osten dar - hier ganz vorne dabei wenig ueberraschend die USA, denen von den diesbezueglichen "ueblichen Verdaechtigen" eine Reihe von mehr oder weniger glaubwuerdigen Schweinereien und eigennuetzigen Plaenen unterstellt wird. Unbestreitbar bleibt allerdings, dass ein weiterer, langfristiger "Stuetzpunkt" am Westbalkan wohl keinem der involvierten Staaten gaenzlich ungelegen kaeme.
Gleichzeitig ist aber natuerlich klar, dass diese Entwicklung die albanische Mehrheit im Kosovo nicht grade erfreuen wird. Diese betrachtet das Angebot Belgrads einer weitgehenden Autonomie fuer den Kosovo (nominell weiterhin Teil Serbiens, jedoch mit nahezu uneingeschraenkter Selbstverwaltung) als unannehmbar. Weiters wurde schon vor einigen Wochen angekuendigt, im Fall eines Stagnierens der Statusverhandlungen am 28. November 2007 unilateral die Unabhaengigkeit erklaeren zu wollen. Somit muss ein unruhiger und moeglicherweise gewalttaetiger Winter in der umstrittenen serbischen Provinz erwartet werden.
Darueber hinaus wird von manchen Seiten eine durch eine eventuelle Unabhaengigkeit des Kosovo ausgeloeste "Kettenreaktion" in diversen Regionen Europas befuerchtet (dies ist auch der offizielle Vorbehalt Russlands gegen die albanischen Unabhaengigkeitsbestrebungen, sowie ein durch Serbien gerne angefuehrtes Argument). Eines der geographisch naechstgelegenen betroffenen Gebiete waere zweifellos die
Republika Srpska, wobei sich bosnisch-serbische Politiker allerdings derzeit durchaus konstruktiv und vernuenftig geben, so etwa der (grundsaetzlich durchaus nicht fuer seine Konstruktivitaet und Vernunft bekannte) Premierminister der RS, Milorad Dodik, welcher in einem Interview mit
Nezavisne Novine vom 13.09.2007 erneut dezitiert festhielt, dass der Ausgang der Statusverhandlungen im Kosovo auf den Status der RS keinerlei Einfluss haben solle oder wuerde:
NN:
"Very often the final solution of the status of Kosovo is linked to the status of the Republika Srpska. Do you think that there is a direct link between the status of Kosovo and the status of RS?"
DODIK:
"Of course not. The status of Kosovo is a matter of agreement between Belgrade and Priština and an internal matter of Serbia. We will, of course, respect any agreement reached at the negotiating table, as well as all decisions made by the Security Council. I am convinced that a solution will be reached through negotiations between Belgrade and Priština which will not have an influence on political and general developments in BiH."Klingt ganz gut - bleibt zu hoffen, dass Mr. Dodik sich daran auch in ein paar Monaten noch erinnert.
Zumindest derzeit ist die RS eindeutig mehr mit der konkreten Ausgestaltung ihrer Rolle innerhalb Bosnien und Herzegovinas, sowie mit der Verteidigung ihrer Eigenstaendigkeit in diversen Bereichen (darunter v.a. in Bezug auf die durch die EU als zwingende Voraussetzung fuer den Abschluss eines SAA betrachtete Polizeireform) beschaeftigt, als mit irgendwelchen Abspaltungsplaenen.